Laufend Orientiert – Teil 4: Kraft & Stabilität

Willkommen bei „Laufend Orientiert“, dem neuen Fortbildungsblog von Orienteering Austria!

Der Orientierungssport ist mehr als nur Bewegung mit Karte und Kompass – er ist ein Zusammenspiel aus Technik, Ausdauer, mentaler Stärke und taktischer Entscheidungsfindung. Doch wie können diese Bereiche gezielt verbessert werden? Welche Methoden haben sich bewährt und welche Einblicke helfen, die eigene Leistung auf das nächste Level zu bringen?

Mit diesem Blog bieten wir Orientierungsläufer:innen aller Niveaus eine Plattform für praxisnahes Wissen. Laufend Orientiert bietet regelmäßig spannende Beiträge rund um den Orientierungssport. Jede Serie greift ein Schwerpunktthema auf, das von erfahrenen Athlet:innen, Trainer:innen oder Expert:innen beleuchtet wird. Ob persönliche Erfahrungen, wissenschaftlich fundierte Ansätze oder taktische Überlegungen – hier findest du praxisnahes Wissen, das dich weiterbringt.

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Teil 4: Kraft & Stabilität – mehr als nur eine Ergänzung

Warum Orientierungsläufer:innen nicht auf Krafttraining verzichten sollten!

Im dichten Wald, auf rutschigem Untergrund oder bei langen Anstiegen – wer im Gelände bestehen will, braucht mehr als gute Technik und Ausdauer. Kraft- und Stabilisationstraining spielen eine entscheidende Rolle, um effizient, robust und verletzungsfrei durch anspruchsvolle OL-Strecken zu kommen. Viele Top-Athlet:innen setzen daher gezielt auf zusätzliche Einheiten abseits der Laufstrecke.

Warum Krafttraining?

Der größte Mehrwert liegt auf der Hand: Mehr Kraft bedeutet bessere Kontrolle im Gelände, effizientere Bewegungsabläufe und geringeres Verletzungsrisiko. Andrine Benjaminsen bringt es auf den Punkt: „I think it’s very important, both for running efficiency and for injury prevention.“ Auch wenn unterschiedliche Faktoren beeinflussen, wie viel Krafttraining jemand braucht, profitieren alle von gezielten Reizen – sei es für Rumpfstabilität, Beinkraft oder Sprunggelenkstärkung. Besonders im Winter hat das Training mit Gewichten oder dem eigenen Körpergewicht Hochsaison – etwa zwei bis drei Einheiten pro Woche sind bei vielen Athlet:innen üblich.

Was wird trainiert?

Je nach Typ und Trainingsphase setzen die Läufer:innen auf unterschiedliche Ansätze. Kerschi betont, wie individuell Krafttraining gestaltet sein muss: „Ich finde dynamische Übungen viel sinnvoller als statische – vor allem jene mit Körperschlingen.“ Auch (Einbein-)Sprüngen und Kraftausdauer würde er gezielt Zeit widmen. Olli Ojanaho sieht vor allem den praktischen Nutzen: „Simple weight trainings, core trainings and hill / forest running are all great and improve the different aspects of strength/stability needed in orienteering.“ Wer stärker wird, läuft stabiler – unabhängig vom Ausgangsniveau.

Neben klassischem Gerätetraining setzen viele auch auf funktionelle Übungen. Matthieu Bührer stärkt mit Gleichgewichtsübungen gezielt Füße und Sprunggelenke, um im Gelände sicherer auftreten zu können. Bei Andreas Waldmann gehören Kniebeugen und Kreuzheben zur Routine – im Winter zwei Mal wöchentlich, in der Wettkampfphase je nach Kalender

Fazit

Krafttraining ist längst mehr als ein optionaler Zusatz – es ist ein zentraler Baustein für Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit im OL. Die Methoden sind vielfältig, doch das Ziel ist klar: Mit mehr Stabilität durch schwieriges Gelände, mit mehr Kraft durch anspruchsvolle Strecken – und am Ende mit mehr Kontrolle zum Posten.


Teil 3: „Ich folge meinem Konzept.“ – Was Top-OLer:innen mental stark macht

Der Orientierungslauf fordert nicht nur Beine, Herz und Lunge – sondern auch den Kopf. Denn selbst die beste körperliche Verfassung nützt wenig, wenn die Gedanken nicht mitspielen. Mentale Stärke entscheidet oft darüber, ob ein Lauf stabil, konzentriert und effizient verläuft – oder von Unsicherheiten, Fehlern und Stress durchzogen ist.

Konzepte und Routinen geben Halt

Mehrere Top-Athlet:innen nennen ein mentales Konzept als Grundpfeiler ihrer Wettkampfroutine. Matthieu Bührer, Simona Aebersold und Gernot Ymsén sprechen alle davon, wie wichtig es ist, ein klar definiertes Vorgehen im Kopf zu haben. Das Konzept beschreibt z. B. Abläufe beim Verlassen eines Postens, den Umgang mit schwierigen Passagen oder Disziplinspezifika wie Staffel oder Langdistanz. Diese Strategien werden nicht nur trainiert, sondern vor dem Wettkampf aktiv abgerufen, etwa durch Visualisierung, kurze Notizen oder durch das bewusste Wiederholen von Schlüsselbegriffen.

Innere Ruhe – aber nicht zu viel

Ruhe und Gelassenheit sind zentrale Zutaten für mentale Stärke – aber nicht im Übermaß. Andrine Benjaminsen etwa betont die feine Balance: „Even though I like being calm (in my head), I need some stress and adrenaline (in my body).“ Sie nutzt gezielte Strategien wie bewusst schnelleres Atmen, um sich in den richtigen Zustand zu bringen: fokussiert, aber aktiviert.

Auch andere betonen die Rolle des inneren Gleichgewichts. „Keeping calm and not taking it too seriously,“ so die pragmatische Einschätzung einer weiteren Athletin. Der Kopf soll arbeiten – aber nicht blockieren.

Fokus auf das Jetzt

Statt sich vom großen Ganzen überrollen zu lassen, setzen viele auf das Prinzip „Posten für Posten“. Österreichs WM-Medaillengewinner Jannis Bonek nennt als wichtigste Strategie: „Ruhe behalten. Fokus auf den nächsten Posten.“ Damit einher geht auch das Loslassen irrelevanter Gedanken – etwa über Zwischenzeiten, Platzierungen oder mögliche Fehler. Olli Ojanaho bringt es auf den Punkt:

„I’m fully focused on everything that is under my control and not thinking about things I can’t affect, such as the result, weather, course etc.“

Triggerworte, Visualisierung und Atemübungen

Neben langfristig aufgebauten Konzepten nutzen viele auch kleine Tools, um sich im Moment zu stabilisieren. Simona Aebersold etwa verwendet Schlüsselbegriffe („Keywords“), um Fokus und Selbstvertrauen aufzubauen. Visualisierung – also das mentale Durchspielen von Situationen – hilft, innere Sicherheit zu gewinnen. Und einfache Atemübungen bringen Ruhe in Kopf und Körper. Übrigens: das Erarbeiten von Routinen und sogenannten Drehbüchern ist bereits seit vielen Jahren ein Schwerpunkt der sportpsychologischen Betreuung im österreichischen Nachwuchsteam.

Die tschechische Sprint-Spezialistin Tereza Rauturier nennt etwa ihre mentalen Bausteine: „Focus, calmness, visual imagination, breathing exercise, self confidence, self trust.“

Fazit: Mentale Stärke ist kein Geheimnis, sondern das Ergebnis bewusster Vorbereitung – individuell, trainierbar und entscheidend. Konzepte, Visualisierung und Selbstwahrnehmung helfen, in entscheidenden Momenten klar zu bleiben. Denn wie im Gelände gilt auch im Kopf: Wer seine Route kennt, läuft sicherer.


Teil 2: Routenwahl: Die Kunst der Entscheidung

Eine Routenwahl dauert oft nur wenige Sekunden – doch sie kann über Minuten entscheiden. Im Gelände wie auch im Sprint ist sie ein zentraler Bestandteil des Orientierungslaufs. Und obwohl wir sie bei jedem Lauf unzählige Male treffen, bleibt sie eine Herausforderung: Wie wählt man die optimale Route?

Im Austausch mit Weltklasse-OLer:innen zeigt sich, dass eine gute Routenwahl weit mehr ist als ein Bauchgefühl. Sie ist ein Balanceakt aus Erfahrung, Geländeanalyse und strategischem Denken.

Analyse beginnt vor dem Lauf

Einige Athlet:innen betonen, dass die Entscheidung bereits mit dem Wissen um das Gelände beginnt. Wie Kerschi festhält, macht es einen Unterschied, ob man in skandinavischem Gelände mit feinen Höhenlinien unterwegs ist oder im kontinentaleuropäischen Raum mit vielen Wegen und detailreichen Karten. Auch Olli Ojanaho betont die Bedeutung von Erfahrung in verschiedensten Geländetypen: Je besser man die Eigenheiten eines Geländes kennt, desto schneller und sicherer trifft man gute Entscheidungen.

Höhenmeter und Belaufbarkeit – oft unterschätzt

Mehrere Läufer:innen betonen den oft vernachlässigten Faktor Höhenmeter, unter anderem Simona Aebersold und Matthieu Bührer. Der Schweizer spricht etwa davon, wie leicht man Steigung unterschätzt – und wie stark das die Laufzeit beeinflussen kann. Sein Tipp: Keine Route wählen, ohne sich den Anstieg bewusst gemacht zu haben.

Auch Belaufbarkeit ist ein wiederkehrendes Thema: Wie gut lässt sich der Boden auf der Route tatsächlich laufen? Jannis Bonek stellt sich genau diese Frage – neben der technischen Einfachheit: Je einfacher die Navigation auf der Route, desto schneller kann man sich bewegen.

Rückwärts denken – intuitiv handeln

Kerschi empfiehlt, die Routenwahl „rückwärts“ zu denken: Also sich vom kommenden Posten rückwärts zur aktuellen Position zu arbeiten. So lassen sich schwierige Passagen besser antizipieren.

Im Sprint hingegen, so unter anderem laut WOC-Medaillengewinnerin Andrine Benjaminsen, kommt es auf blitzschnelle Entscheidungen an – hier ist Intuition gefragt. Um diese zu trainieren, helfen Spiele und mentale Übungen, etwa Online-Routenwahl-Tools oder Sprintkarten-Vorbereitungen.

„Choosing shortest distance (except if very wiggly or if there are steep climbs/stairs). If you can’t decide which route is shorter, then choose either, but just choose quickly.“

Erfahrung schlägt Theorie

Der gemeinsame Nenner aller Aussagen? Erfahrung schlägt Theorie. Viele Entscheidungen lassen sich am Papier nicht perfekt simulieren. Erst durch viele Läufe in verschiedenen Geländen, durch Fehler und Vergleiche wird das eigene Gefühl für die beste Route geschärft.

Olli bringt es auf den Punkt: „Wenn ich denke, dass eine technisch schwierige Route schneller ist, nehme ich sie – weil ich ja auch die saubere Ausführung der Route selbst unter Kontrolle habe. Zeit freiwillig zu verschenken, ist keine Option.“

Fazit

Ob Sprint oder Wald, direkt oder außen herum – die beste Routenwahl ist selten eindeutig, aber immer entscheidend. Sie lebt vom Lernen, vom Ausprobieren und vom Reflektieren. Oder wie ein Läufer es ausdrückte: „Manchmal zahlt sich ein Umweg aus – zur richtigen Zeit, am richtigen Ort.“


Teil 1: Technik, die zum Sieg führt: Einblicke von den Weltbesten!

Im Orientierungssport spielen viele technische Aspekte eine entscheidende Rolle für den Erfolg. Internationale Top-Athlet:innen teilen ihre wichtigsten Erkenntnisse, die ihre O-Technik am meisten verbessert haben.

Ein zentraler Punkt, der immer wieder genannt wird, ist die Bedeutung der richtigen Planung und Vorbereitung im O-technischen Sinne. Olli Ojanaho, WOC-Bronze-Medaillist, betont: „I would say just getting better at the basic things, such as always having a good plan where to go and what to expect during the next few hundred meters and quickly checking the direction every time I read the map.“

Gleichzeitig werden immer wieder der Automatismus und die Fähigkeit, auf Routinen zurückzugreifen, als wichtig hervorgehoben. Gernot „Kerschi“ Ymsen betont den Begriff „Autobility“ – eine Kombination aus Automatismen (Routinen) unter Beibehaltung der Flexibilität.

Ein weiterer häufiger Hinweis ist, dass es nicht nur um das bloße Vorauslesen der Karte geht, sondern auch um das richtige Maß an Vorausdenken. Andreas Waldmann beschreibt es so: „Das richtige Maß an Vorauslesen: Zu wenig ist fehleranfällig, zu viel blockiert geistige Kapazität.“

Neben der mentalen Vorbereitung und der Planung spielt das Verständnis des Geländes eine entscheidende Rolle. Matthieu Bührer erklärt: „Ich denke, für mich war es das Verständnis des Reliefs und der Höhenkurven. Eine klare Vorstellung von der Form des Geländes zu haben … hilft, viele grobe Fehler zu vermeiden.“

Für einige Athlet:innen ist die Vielseitigkeit in verschiedenen Terrains ein weiterer wichtiger Faktor. „Training and competing in different kind of terrains“, verrät eine WOC-Medaillen-Gewinnerin ihr Geheimnis.

Fazit

Die besten Orientierungsläufer:innen perfektionieren kontinuierlich ihre Grundlagen, entwickeln ein tiefes Verständnis für Karte und Gelände und kombinieren Automatisierung mit Flexibilität – um sich jeder Herausforderung stellen zu können.

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